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"Der deutsche Freund" von Christian Dorph und Simon Pasternak„Der deutsche Freund“ als Sittenbild DänemarksDänisches Krimiprojekt beleuchtet mit viel Verve und ohne Rücksicht auf Political Correctness das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts
„Der deutsche Freund“ ist der (deutschsprachige) Auftakt einer Serie, mit der die beiden dänischen Krimiautoren Christian Dorph und Simon Pasternak schlaglichtartig das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts beleuchten wollen. Klares Fazit nach der Lektüre: Debüt mit Bravour bestanden! „Der deutsche Freund“ sorgt für frischen Wind und neue Impulse im Krimi skandinavischer Art. „Der deutsche Freund“ des dänischen Autorenduos Dorph/Pasternak ist eigentlich bereits der zweite Band, der im Rahmen eines ambitionierten Krimiprojekts erschienen ist, mit dem die beiden dänischen Krimimeister nichts weniger als das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts dänischer Geschichte in Form von Kriminalromanen erzählen wollen. 2005 debütierten die beiden Autoren gemeinsam in Dänemark mit „Om et øjeblik i himlen“. Die deutsche Terrororganisation RAF sowie deren Geiselnahme in der Stockholmer Botschaft 1975 lagen diesem Roman zugrunde, und – so viel darf man bereits an dieser Stelle verraten – diesen Krimi würde man, gerade als Deutsche(r), nach der Lektüre von „Der deutsche Freund“ ebenfalls gerne lesen! Sjöwall/Wahlöö + Ellroy = Dorph und Pasternak Worum geht es bei diesem Krimiprojekt? Dorph und Pasternak mischen die nordische mit der amerikanischen Hardboiled-Krimitradition und liefern dabei gleichzeitig ein auch für deutsche Leser lebendiges Bild der 70er-Jahre in Dänemark (und Europa). Wie sie vom (nach den wilden 60ern) zerrütteten Privatleben der Ermittler Ole Larsen (unfähig, seiner todkranken Frau Beistand zu leisten, verstrickt in einer destruktiven Affäre mit einer Ex-Prostituierten), Erik Rohde (ein von der Mordkommission zur Passpolizei degradierter, geschiedener Schwuler, der sein Coming-Out am liebsten wieder rückgängig machen würde) und Anita Jensen (die erste Frau bei der Mordkommission, im Sorgerechtstreit mit ihrem krankhaft eifersüchtigen und gewalttätigen Ex-Mann) erzählen, verweist auf Sjöwall/Wahlöö; die Idee, das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts schlaglichtartig zu beleuchten und Geschichte einmal anders zu erzählen, ungeschminkt und ohne Rücksicht auf die Political Correctness, erinnert an James Ellroys Werk „L.A.-Quartett“. Dabei gehen Dorph und Pasternak ebenso schonungslos und politisch unkorrekt wie atemberaubend temporeich und mit großer Fähigkeit, ein plastisches Bild von Dänemark und Kopenhagen Ende der 70er zu zeichnen, vor. Sie vermischen dazu Fiktion und Wirklichkeit. Überall im Roman gibt es Hinweise und Zitate auf reale Ereignisse, Popsongs, Schlager und das „Auch wir Erwachsenen können Angst haben“ („Vi voksne kan også være bange“) des dänischen Liedermachers Bjarne Jes Hansen, die allgegenwärtige Zigarette und vieles mehr tun ihr Übriges, dass sich beim Lesen ein so lebendiges Bild von den End-70ern ergibt, als hätte man ein Pop-Art-Kunstwerk vor sich. Dorph und Pasternak setzen dabei die Realität zugunsten ihrer Sicht auf die politische und gesellschaftliche Stimmung anno 1979 in Dänemark in Szene, erlauben sich dabei die künstlerische Freiheit, bestimmte Ereignisse oder Begebenheiten so zu verändern, dass sie ins Romangeschehen passen und rücken auf diese Weise ganz bestimmte Aspekte in den Mittelpunkt.
Homosexuelle, Nazis und Agenten In „Der deutsche Freund“ bildet der Rücktritt des dänischen Finanzministers Knud Heinesen und dessen „Bekenntnis“, Dänemark halte auf einen Abgrund zu, den Auftakt. Zugleich liefert beides die Folie, die stimmungstechnische wie moralische Atmosphäre, die diesem Roman zugrunde liegt. Polizeiassistent Erik Rohde, in einer in die Sackgasse geratenen homosexuellen Beziehung gefangen, verfolgt die Ansage im Fernsehen. Einige Stunden später findet er sich, nicht mehr ganz nüchtern und von einem Unbekannten niedergeschlagen, in der Sauna des Kopenhagener Men’s Club wieder – neben ihm die Leiche des Großunternehmers Keld Borch. So, in dieser kompromittierenden Lage, findet ihn sein Freund, Vizekriminalkommissar Ole Larsen. Er hilft ihm, unbekannt vom Tatort zu entkommen. Dann ruft Larsen Kriminalassistentin Anita Jensen an. Die beiden nehmen die Ermittlungen auf, die sie in das Netzwerk eines geheimen, homophilen und zum Teil pädophilen Männerbundes führen, der seinen Ursprung in den 1930/40er-Jahren hat und in höchste politische Kreise reicht. Es stellt sich heraus, dass die Vergangenheit alles andere als vergangen und tot ist, von manchem hochrangigen Mitglied der Gesellschaft aber gerne totgeschwiegen würde. Um die eigenen homosexuellen Neigungen, ideologische Verstrickungen mit den Ideen des Nationalsozialismus’ und eine Mittäterschaft zu verheimlichen, muss daher ein Bauernopfer gefunden werden. Hier wird „Der deutsche Freund“ zum wahren Spionagethriller, der den Leser hinter den Eisernen Vorhang nach Ostberlin und Danzig führt. Ein Sittenbild Dänemarks am Ende der 70er-Jahre
Hinter der Geschichte des scheinbar unverrückbaren Männerbundes nunmehr honoriger Herren der dänischen Politik und Gesellschaft steht die tatsächliche Begebenheit um die literarische Zeitschrift „Heretica“, insbesondere um den Kreis des „Rings“ um Autor Ole Wivel und Verlagsgründer Knud W. Jensen. Pasternak und Dorph haben sich von deren „Flirt“ mit dem Nazismus, seinen Ideen und Idealen und wie diese beiden – stellvertretend für viele Künstler und große Persönlichkeiten – vom Nationalsozialismus fasziniert waren und selbst zu Nazis werden konnten inspirieren lassen. Einige der in „Der deutsche Freund“ geschilderten Figuren haben also ihre Vorbilder in realen Personen der dänischen Zeitgeschichte, doch wäre es sicherlich falsch, den Roman 1:1 zur Wirklichkeit zu lesen. Vielmehr dient dieser Plot innerhalb des Erzählten, ganz getreu der Projektidee, dazu, ein Sittenbild (des seelischen, moralischen und wirtschaftlichen Verfalls) Dänemarks am Ende der 70er-Jahre zu liefern. Dabei gehen die beiden Autoren so gut zu Werke, dass die Ambitionen nicht zulasten der Spannung, des Erzählens und des Plots gehen. Im Gegenteil. Einmal angefangen, legt man das Buch nur ungern und schwer wieder aus der Hand. Dorph und Pasternak ist mit „Der deutsche Freund“ (und mutmaßlich mit ihrer gesamten Serie von insgesamt sechs geplanten Bänden) ein richtiger Coup gelungen: Skandinavische Spannungsliteratur vom Feinsten, fernab jeglicher politischer Korrektheit, mit starken Charakteren und neuen, erfrischenden Impulsen für das ganze Genre! |
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