| In Odda stinkt's zum Himmel "Die Raubmöwen besorgen den Rest" von Frode Grytten
 Der norwegische Journalist Frode Grytten zeichnet 
          ein olfaktorisches Kleinstadtpanorama und einen Mord, der ebenso zum 
          Himmel stinkt wie es eigentlich niemanden interessiert, wer wirklich 
          der Mörder ist.  In Odda, einer norwegischen Industriestadt am "Arsch 
          der Welt", stinkt es zum Himmel. Der verschwitzte Mief im Büro 
          des abgehalfterten Lokaljournalisten Robert Bell vermischt sich mit 
          dem Dunst von Burgern und Pommes, die vom Bowlingcenter im Keller in 
          sein Zimmer dringen. In seinem alten Volvo rotten irgendwelche Essensreste 
          vor sich hin, es ist der heißeste Sommer seit langem, durchs offenen 
          Autofenster nimmt Bell den "Schweißgeruch einer Kleinstadt", 
          den "Gestank seines Volvos" wahr - ausgerechnet jetzt, wo 
          die Schmelzfabrik geschlossen und die Stadt die Abgase der Fabrik los 
          geworden ist. Dann geschieht ein Mord, und auch der stinkt zum Himmel. 
          Da der Tote, Guttorm Pedersen, Mitglied der Heimwehr war und die im 
          Asylantenwohnheim wohnenden Serben drangsalierte, sind für alle 
          die Mörder schnell ausgemacht: Die Serben, "die Muslime", 
          müssen's gewesen sein. Darin sind sie sich schnell einig: die Polizei, 
          die Oddaer - nicht Oddaner! - und die einfallende Journalistenmeute. 
          Nur einer verweigert sich der allgemeinen Lesart. Robert Bell. Bell 
          betreibt geradezu eine "Antirecherche" (Stuttgarter Zeitung), 
          lässt seine Vorgesetzten auflaufen, führt seinen Auftrag ad 
          absurdum (Stuttgarter Zeitung). Dabei kommt er allmählich der Wahrheit 
          auf die Spur, doch will die niemand mehr hören. Die Medienmeute 
          ist längst weitergezogen, hat neue Themen gefunden, und auch das 
          kleine Odda, das stark unter der Arbeitslosigkeit leidet, will einfach 
          nur vergessen. Doch Bells Wahrheitsfindung bleibt ohne Konsequenzen. 
          Den Artikel, den er bereits geschrieben hat, löscht Bell wieder 
          und alles bleibt beim Alten. Auf dem Weg nach Nirgendwo jedoch hat auch 
          Bell ein Menschenleben auf dem Gewissen. Ein kleiner Junge, der ebenfalls 
          im Asylantenheim wohnt, freundet sich mit Bell an - und stirbt. Und 
          auch das bleibt ohne Konsequenzen.
 So thematisiert der Journalist Frode Grytten zwar wie seine skandinavischen 
          Krimikollegen die wichtigen Fragen unserer Zeit wie Ausländerfeindlichkeit, 
          Arbeitslosigkeit oder Globalisierung, wählt aber mit Bell, dem 
          totalen Verweigerer, eine interessante und beklemmende Anti-Perspektive, 
          die größeres Unbehagen auslöst als die konfrontativ-konstruktive, 
          gesellschaftliche Zustände verändernd wollende Sicht, die 
          man gemeinhin von skandinavischen Krimis gewohnt ist - eine Bereicherung 
          in der skandinavischen Krimilandschaft.
 
 Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
 © Juni 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
 
 
 
                  
 
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