Ein Rätsel wie Kanonen-Berra
Ein Feature, ein Portrait soll ich schreiben - nein, will ich schreiben.
Schließlich hatte ich die Idee zu dem Håkan Nesser-Special. Tja,
und nun sitze ich hier und schwitze, und das nicht nur wegen der hochsommerlichen
Temperaturen draußen. Auch Håkan Nesser treibt mir Schweißperlen
auf die Stirn. Der Mann ist nicht zu fassen. Dabei ist schon viel über
ihn geschrieben worden. Man dürfe ihm nicht trauen, dem freundlichen
Mann aus Uppsala, schreibt beispielsweise Stefanie Hentschel in der Brigitte
Kultur (2/2005). Vertrauenswürdig dagegen findet ihn Stephan Bartels,
ebenfalls Brigitte Kultur. Lässig sei er und selbstbewusst ohne Eitelkeit,
ironisch, freundlich gelassen, verschmitzt, listig, interessiert, witzig,
auf eine englische Art, ein gewiefter Frager - schließlich war er in
seinem früheren Leben Lehrer - warm, wenn er von seiner zweiten Frau
Elke und seinen Kindern spricht. Ein Mann, der mit sich im Reinen sei, einer,
der lieber mit dem altersschwachen Fiesta des Redakteurs zum Hotel fährt,
als mit dem Taxi, das der Verlag spendiert. Einer, der den Menschen in seiner
Umgebung das ehrliche Gefühl vermittelt: "Ich interessiere mich
für dich, du bist mir wichtig." So einer, der dann am Ende des Interviews
den Redakteur mit dieser typisch-nesserschen Nonchalance auffordert: "Schau
ruhig mal vorbei, wenn du in der Gegend von Uppsala bist." Oder auf eine
Anfrage zum Interview mailt: "Verbringe den Sommer in Frankreich, aber
ruf ruhig auf meinem Handy an, dann sprechen wir ein bisschen miteinander."
Und schließlich seine Größe, immer wieder seine - wahrlich
imponierende - Größe: Håkan Nesser misst 1,95 m. Recht haben
sie alle - doch kommt man damit dem Phänomen Nesser näher?
Das alles wirkt so nett, einfach nett und nochmals nett und glatt. Wo sind
die Widerharken? Wo die Brüche? Wo eine Ecke, an der man sich stößt,
an der man hängen bleibt und weiterforschen will? Man findet sie nicht
so leicht, aber vielleicht ist es gerade diese verblüffende, offene Freundlichkeit,
gepaart mit Lässigkeit und einer sympathischen Ausstrahlung, an der sich
der im alltäglichen Leben häufig der Freundlichkeit entwöhnte,
gemeine Deutsch festbeißt. Andererseits, so sind sie, die Marklunds,
Erikssons, Edwardsons und Svenssons Schwedens. Freundlich interessiert, lässig,
unaufgeregt und ohne viel Aufhebens um ihre Person zu machen. Understatement
auf Schwedisch.
Nein, mir ist dieser Mann nach wie vor ein Rätsel. Ein verdammt lässiges
und sympathisches Rätsel zwar, doch genauso geheimnisvoll wie der Mord
an Kanonen-Berra.
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