Nach dem mißglückten Experiment "Letzter Gruß" (hier unsere Rezension) von Liza Marklund liegt ein weiterer schwedischer Thriller vor, der explizit für den internationalen Markt geschrieben wurde. Die Bonnier Group Agency vermeldet stolz, daß sie die Rechte an Lars Keplers "Hypnotiseur" in 35 Länder verkauft hat. Alles kein Problem, wenn die Qualität stimmt. Nur, die stimmt leider nicht. "Der Hypnotiseur" ist nichts als ein Fischlein, das in der dritten, der Post-Stieg Larsson-Welle der skandinavischen Kriminalliteratur mitschwimmt.
Zunächst fällt auf, daß das erste Drittel des Buches unfaßbar schlecht geschrieben ist; man mag kaum glauben, daß sich hinter dem Pseudonym "Lars Kepler" zwei erfahrene Romanciers verbergen. Die hölzerne Sprache führt die Leserin gleich in die erste von zahlreichen wenig plausiblen Situationen: Der Psychiater Erik Maria Bark wird von Kommissar Joona Linna in ein Krankenhaus gerufen, um einen schwerst verletzten und bewußtlosen Patienten zu hypnotisieren. Trotz eigener Bedenken und des Protestes der Krankenhausärztin tut Bark, wie ihm geheißen, und hat natürlich Erfolg. Die mangelnde Plausibilität großer Teile der Erzählung paßt sehr gut zum klischeestrotzenden Plot, der auf reine Unterhaltung hin konstruiert wurde. Fast meint man, Lars und Kepler zu sehen, wie sie vor der großen Kiste mit den genretypischen Versatzstücken sitzen und überlegen, was wohl international am besten ankäme.
Der erste Teil des Thrillers bedient das Serienkiller-Klischee. Es begegnet uns ein Massenmörder, der sich in bester Jack the Ripper-Manier quer durch Stockholm schlitzt. Diese überlange Exposition dient einzig dazu, das Personal des "Hypnotiseurs" einzuführen, der ja der Auftakt einer geplanten Serie um den Kommissar Joona Linna ist. Dieser Kommissar hat immer Recht, ist immer auf der richtigen Spur und bekommt derart viele gute Eigenschaften zugeordnet, daß er schier übers Wasser laufen kann. Die Auflösungskapitel bedienen, garniert mit etwas Jugendkriminalität, die Sehnsucht nach der widerspruchsfreien Auflösung der Tat. Trotz einer Hetzjagd durch ganz Schweden ist das nicht besonders spannend, denn Hinweise auf den Täter gibt es schon ziemlich früh.
Entsetzen vermag allein der zweite Handlungsstrang des Buches zu erzeugen, wenn auch in anderer Weise als von Lars Kepler beabsichtigt. Psychiater Bark, in der Gegenwartsebene ein tablettenabhängiges Wrack, das Psychopharmaka einnimmt wie wir Bonbons essen, erscheint in der Rückblende als hoffnungsvoller Wissenschaftler, der mit Hilfe von Gruppenhypnose herausfinden will, im welchen Bildern TraumapatientInnen ihr Trauma erinnern. Mit diesem unethischen Setting scheitert der Hypnotiseur grandios und richtet ziemlichen Schaden an. Über den fachlichen Hintergrund des Scheiterns erfahren wir nichts. Dabei hat letztens erst der Norweger Torkil Damhaug mit seiner "Netzhaut" (hier unsere Rezension) gezeigt, wie man über psychische Erkrankungen nachdenken und gleichzeitig einen guten Thriller schreiben kann. Bei Kepler hingegen soll der Handlungsstrang, der vordergründig den Grusel vor Psychiatern, der Psychiatrie und psychisch Kranken bedient und die weitverbreitete Faszination für Hypnose anspricht, lediglich erläutern, warum Erik Bark wie wieder hypnotisieren wollte. Hier schlägt der Wille zur reinen Unterhaltung in Fahrlässigkeit um.
Lars Kepler, das anspruchsvolle Pseudonym des Autorenpaares Ahndoril, ist eine Referenz an den großen Kollegen Stieg Larsson und an den Astronomen Johannes Kepler, der das heliozentrische Weltbild des Nikolaus Kopernikus teilte und die Gesetze der Planetenbewegung entdeckte. Der große Anspruch wurde weit verfehlt.
Vielen Dank an Dr. Kerstin Herbst aus Berlin
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