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"Weisser Tod" von Liza Marklund
Das Marklund-Rezept: Spannung, Sex und Crime
Der 9. Annika-Bengtzon-Krimi ist ein typischer Marklund – Was für ein Glück!
Mit ihrem neunten Annika-Bengtzon-Krimi liest Liza Marklund ihren Nachfolgerinnen noch mal so richtig die Leviten: In ihrer ganz eigenen, unverkennbaren Marklund’schen Mischung aus Spannung, Sex und Crime, Fiktion und Realität sowie ihrem genuin weiblichen Blickwinkel und ihrer einzigarten Fähigkeit persönliche Fragen zu politischen zu machen und umgekehrt, ist Liza Marklund mehr als jede Queen of Crime. Sie ist „eine Klasse für sich“ (Henning Mankell).
Während sich Annika-Bengtzon-Autorin Liza Marklund zwischen „Kalter Süden“ und „Weißer Tod“ mit dem Schreiben von „Letzter Gruß“ in Kooperation mit James Patterson die Zeit vertrieb, pausierte die stets so ruppige und doch verletzliche Annika gezwungenermaßen. In der Fiktion schickte Liza Marklund Annika und ihren Mann Thomas, wieder versöhnt, für drei Jahre nach Washington, wo Annika als Auslandskorrespondentin für ihre Abendzeitung arbeiten durfte. Nun ist sie wieder mit Thomas und den Kindern nach Stockholm zurückgekehrt. Thomas jedoch ist schon wieder beruflich unterwegs. Im Auftrag des Justizministeriums nimmt er als Teilnehmer einer europäischen Delegation an einem Kongress in Nairobi, Kenia, teil. Im Wesentlichen soll es darum gehen, dass Kenia die Grenzen nach Somalia dicht machen, um den Flüchtlingsstrom nicht weiter nach Europa schwappen zu lassen, sondern bereits vor Ort in Afrika zu stoppen. Das afrikanische Flüchtlingselend und Dilemma, das nicht zuletzt auch aus Jahrzehnten der europäischen Kolonisation herrührt, sowie die europäische Außenpolitik, die die Außengrenzen zu Afrika gnadenlos dicht macht, sind denn auch Marklunds Anliegen und politisches Statement, dem sie sich in „Weißer Tod“ widmet.
Europas neuer eiserner Vorhang
„Du gamla, du fria“ heißt „Weißer Tod“ sehr treffend im Schwedischen Original. Das ist die (unvollständige) Anfangszeile der schwedischen Nationalhymne und kann mit „Du alter, du freier (Norden)“ übersetzt werden. Als Titel zu Marklunds Roman referieren die Worte auf das alte und freie (befreite) Europa, das sich gegen das Elend und die Flüchtlinge aus Afrika abschottet und mit der Organisation Frontex einen neuen Eisernen Vorhang errichtet. Erstaunlich schnell allerdings wird dies gleich auf den ersten Seiten des Romans abgehandelt, und zwar in einem rund drei Seiten umfassenden Gespräch mit ihrer Kollegin Berit (vgl. Liza Marklund, Weißer Tod, Ullstein 2012, S.20-23). „Die ganze Frontex-Geschichte ist ein unglaublich zynisches Experiment.
Ein neuer eiserner Vorhang.“ (ebd. S.20) „Frontex‘ neueste Erfindung ist, dass die Dritte Welt ihre Grenzen selbst dicht macht. (…) Wir in der Ersten, alten und freien Welt brauchen uns mit dieser Frage kein bisschen auseinanderzusetzen.“ (ebd.) „Sie wissen, dass Thomas an der Frontex-Konferenz in Nairobi teilnimmt. Es geht um die erweiterte Zusammenarbeit an den Grenzen zu Europa“, sagte der Staatssekretär. Unser neuer eiserner Vorhang, dachte Annika. Du altes, freies Europa.“ (ebd. S. 23) Damit ist alles gesagt, die Rolle der europäischen Union wird nicht weiter diskutiert. Wohl aber rückt dann durch die Entführung von Thomas durch eine Gruppe somalischer War Lords die Perspektive Afrikas in den Blickpunkt. Zum einen gibt es ausführliche Einblicke in die Handlungsweise und Seelenlage der Entführer, in ihre Biografie und Sozialisation – keine Entschuldigung, nur eine Erklärung, wie Jimmy Halenius nicht müde wird, Annika zu erklären. Zum anderen muss Annika mit Thomas’ Chef Jimmy schließlich persönlich nach Afrika reisen, um das Lösegeld zu übergeben, was Gelegenheit bietet, das ganze Ausmaß der menschlichen Katastrophe im afrikanischen Kriegsgebiet zu schildern. Annika fährt durch Slums und kommt zum Flüchtlingslager in Dadaab. Das alles ist, wie immer bei Marklund, höchst kenntnisreich, authentisch und die richtigen Worte findend dargestellt. Ein ums andere Mal gebührt ihr dafür wirklich Lob und Anerkennung. Keine vermag die Realität so gekonnt und eindringlich in ihre fiktionalen Kriminalromane einfließen zu lassen und zu beschreiben, wie Marklund das kann. Am Ende lässt sie es dann, auch das typisch für Marklund, wieder ordentlich krachen. Der Schluss ist actionreich, laut und dramatisch und überrascht – in jeder Hinsicht, und das heißt bei Marklund/Bengtzon natürlich sowohl in privater als auch beruflicher Beziehung.
Annika berührt
Neben dem politischen Aspekt vergisst Marklund selbstverständlich ihr Hauptanliegen und das Thema, das sie seit ihrem ersten Bengtzon-Krimi 1998 nie müde wird, abzuarbeiten, nicht: Es ist dies die Gewalt gegen Frauen. In einem parallelen Handlungsstrang recherchiert Annikas Redaktionsvertraute und Freundin – darf man bei Annika überhaupt von Freunden sprechen? – Berit beziehungsweise der junge Nachrichtenchef Patrik zu mehreren Frauenmorden. Der ambitiöse Nachrichtenchef möchte gerne einen Serienmörder finden; Annika und Berit glauben eher an Beziehungstaten: „Je weiter von zu Hause entfernt eine Frau stirbt“, sagte Annika, „desto weiter weg scheint sie vom Täter zu sein, rein beziehungsmäßig...“ „Ich weiß“, sagte Berit. Ich habe mir die Statistiken angesehen. (…) genau wie du sagst, deuten die erdrückenden Erfahrungen in dieser Problematik darauf hin, dass es sich um reine Beziehungstaten handelt.“ „Mikael Ryings Untersuchungsbericht?“ „Die Entwicklung tödlicher Gewalt gegen Frauen in nahen Beziehungen“, bestätigte Berit. „Die Zahlen (…) sind eindeutig. Ab 1990 und danach kannten 94 Prozent aller aufgeklärten Fälle die weiblichen Opfer ihren Mörder.“ (Liza Marklund, Weißer Tod, Ullstein 2012, S.242). Im konkreten Fall liegt die Wahrheit am Ende irgendwo dazwischen. Weitaus interessanter aber als dieser altbekannte Standpunkt Liza Marklunds ist das, was sie ihrer Protagonistin in „Weißer Tod“ weiter zumutet – oder zugesteht. Thomas’ Entführung führt nämlich dazu, dass sein Chef, Staatssekretär Jimmy Halenius, Annikas Schlafzimmer zur Ermittlungs- und Verhandlungszentrale macht. Dabei kommen sich Jimmy und Annika näher, als erlaubt ist. Wie glaubwürdig man das finden mag, dass ein Vorgesetzter so agiert und eine private Wohnung zum Headquarter wird, sei dahingestellt. Fest steht aber, dass es Marklund mit wenigen Worten, die genau den richtigen Ton treffen, gelingt, die erotische Spannung zwischen Annika und Jimmy zu schildern. Das ist nicht nur schön zu lesen. Es zeigt auch eine neue Seite an Liza Marklund – etwas Sanftes und In-der-Schwebe-Bleibendes, etwas Zartes und Verletzliches und ganz und gar Reines hält Einzug. Das berührt.
Rückschau und Ausblick
Mehr als zehn Jahre nach Marklunds/Bengtzons Debüt in „Olympisches Feuer“ scheint für Liza Marklund auch der Moment gekommen zu sein, die vergangenen Jahre Revue passieren zu lassen. Man merkt beiden an, dass sie älter und reifer geworden sind. Vielleicht auch ein wenig weicher und ruhiger, aber immer noch streitbar und auf der Höhe der Zeit. Das macht Marklund/Bengtzon wirklich zu einer Klasse für sich in der skandinavischen Krimilandschaft. Man kann sich nicht nur noch weitere Krimis mit Annika Bengtzon vorstellen. Man wünscht sie sich sogar.
In diesen Tagen erschien in Schweden die Taschenbuchausgabe von „Weißer Tod“, die zum Teil unveröffentlichtes Material in Form eines Reisetagebuchs von Liza Marklund enthält. Geschrieben wurden sie von ihr, als sie im September 2011 im Auftrag von UNICEF und der schwedischen Abendzeitung Expressen unterwegs war, um über die Dürre und Flüchtlingskatastrophe am Horn von Afrika zu berichten. Diese persönlichen Eindrücke von Liza Marklund ergänzen die fiktionale Lektüre. Wer die Chance hat, „Du gamla, du fria“ als Pocket zu erstehen, sollte dies tun und sein Bild von Afrika, wie es Liza Marklund in „Weißer Tod“ dargestellt hat, vervollständigen.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© November 2012 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Weisser Tod" von Liza Marklund
Entführt in Afrika
Liza Marklunds beliebte Journalistin Annika Bengtzon sieht sich in „Weißer Tod“ gleich mit zwei Katastrophen konfrontiert. Zum einen gibt es eine Mordserie an jungen Müttern, die scheinbar zusammenhangslos sind. Zum anderen wirft der Einbruch des Schrecklichen in ihr Privatleben Annika völlig aus der Bahn.
Bereits im letzten Roman ließ Marklund Annika Bengtzon nur haarscharf dem Tod von der Schippe springen. Hier ist es ihr Mann Thomas, der in Afrika Opfer einer Entführung wird. Was sich nun entwickelt, sind zwei parallele Handlungsstränge, die einerseits den Umgang der Journalisten mit den Serienmorden beschreiben, andererseits schildern, wie Annika mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt des Entführungsfalls wird.
Ihr Mann Thomas, der im Ministerium arbeitet, ist Teil einer politischen Delegation aus verschiedenen Europäern, die nach Afrika reisen. Was sie dort eigentlich tun wollen, bleibt dem Leser verborgen. Der seelische und körperliche Zustand der Entführten wird aus Sicht Thomas’ geschildert, dessen Gedanken sich mit den beiden anderen Handlungssträngen abwechseln und die mit zunehmender Grausamkeit der Entführer immer wirrer werden.
Währenddessen baut Staatssekretär Jimmy Halenius in Annikas Schlafzimmer seine Ermittlungs- und Verhandlungszentrale auf. Das Ganze wirkt etwas konstruiert, denn warum sollte sich ausgerechnet ein Staatssekretär mit der Entführung eines Untergebenen befassen? Wie zufällig hat er auch noch einen Kurs beim FBI belegt, in dem ihm der Umgang mit Entführern beigebracht wurde.
Ungeachtet dieser Konstruktion ist es aber gerade die Figur des Jimmy Halenius, die den Leser fasziniert. Und nicht nur ihn oder sie – zwischen Annika und Halenius entwickelt sich eine erotische Spannung, die Marklund immer wieder in wenigen Worten andeutet.
Schließlich muss Annika sogar mit Halenius nach Afrika fliegen um das Lösegeld persönlich zu übergeben.
Der letzte Teil des Romans liest sich wie ein Filmausschnitt. Man fährt mit Annika durch Slums, staubtrockene Landschaften und letztlich fliegt man gar per Hubschrauber zur Geldübergabe. Wie nebenbei wird das Elend der afrikanischen Bevölkerung erwähnt, so beispielsweise das Flüchtlingslager Dadaab, das unaufhörlich zu wachsen scheint.
Das Ende, wie üblich bei Marklund, ist recht dramatisch und soll an dieser Stelle nicht preisgegeben werden.
„Weißer Tod“ braucht eine ganze Weile um Dynamik zu entwickeln und den Leser für sich einzunehmen. Alles in allem ist der Roman eher eine Mischung aus Politthriller und Liebesgeschichte, als tiefsinnige Psychologie. Ein typischer Marklund eben.
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret
© April 2012 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Letzter Gruß" von James Patterson und Liza Marklund
Es sprang ein Tiger und landete ein Bettvorleger.
Das schwedisch-amerikanische Serienkiller-Thriller-Abenteuer der Liza Marklund
Und dann legte sich Liza Marklund mit dem deutschen Buchhandel an. „Bücher soll es einfach überall zu kaufen geben. Der kleine Buchhändler interessiert mich null. Soll er verschwinden - wen kümmert das?“ Überzeugt, daß ihr gemeinsam mit James Patterson für den amerikanischen Markt verfaßter Thriller "Letzter Gruß" ein wirklicher Bestseller geworden sei, legte sie nach: "Es ist doch eine Fehlinterpretation, dass Bestseller der guten Literatur Leser wegnähmen. Es ist genau umgekehrt: Ohne Bestseller geht doch keiner in einen Buchladen.“ So ließ sich Liza Marklund im März 2010 von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (ext. Quell-Link) zitieren.
Prompt reagierten Teile des unabhängigen deutschen Buchhandels mit einem Boykottaufruf gegen die Bücher der Autorin. Nun ist Liza Marklund nicht irgendwer, wie die FreundInnen des skandinavischen Krimis wissen. Jedem Verlag bringen ihre Bücher Renommee und sichere Einnahmen. Deshalb veranlaßte die Ullstein-Chefin Siv Bublitz, Marklunds deutsche Verlegerin, die Autorin zu einem eiligen Dementi (ext. Quell-Link).
Dieses enthält die in solchen Fällen übliche Standardformulierung: "Das Zitat wurde aus dem Zusammenhang eines Gesprächs herausgelöst, und so wie es sich jetzt anhört, habe ich es gewiss nicht gemeint."
Wie Marklund es auch immer gemeint haben mag, eines hat sie erreicht: Die deutschen Qualitätsfeulletons nahmen sich der Sache an, und auch diejenigen, die sich nicht für Krimis interessieren, bekamen mit, daß sie einen neuen Titel auf dem Markt hat. Auch ihr auf dem deutschen Krimimarkt mehr als gut vertretene Koautor James Patterson ist nicht irgendwer; der Limes Verlag bezeichnet ihn als niemand geringeren als den "amerikanischen King of Thrills". Seinen enormen Ausstoß an Büchern läßt der "King" übrigens in einer eigenen Thrillerfabrik von fünf angestellten Autoren produzieren.
Die Erwartungen waren hoch und die Fallhöhe enorm. Jedoch: Es sprang ein Tiger und landete ein Bettvorleger. Patterson & Marklund entwarfen eine Geschichte, in der junge Paare in mehreren europäischen Metropolen blutig ermordet werden. Zur Lösung des Rätseln schreiten eine liberale schwedische Journalistin (leider nur ein blasser Abklatsch der wundervoll neurotischen Annika Bengtzon) und ein New Yorker Polizei-Rambo, der sich am liebsten quer durch Europa schießen würde. Der Plot wurde mechanisch nach den Regeln des Genres konstruiert, und bei der Figurenzeichnung wurde auf kein verfügbares Klischee verzichtet. Das Ergebnis wirkt komisch, allerdings unfreiwillig. Komisch wirkt auch, daß die Kapitel von "Letzter Gruß" mit den Patterson-typischen ca. zweieinhalb Buchseiten eher die Länge einer Twitter-Meldung haben. Aber wer hält Twitter-Meldungen für Literatur?
Es fällt auf, daß sich die verfügbaren Rezensionen gravierend unterscheiden. Vor dem Erscheinen von "Letzter Gruß" überwogen die Lobeshymnen, nach dem Erscheinen die Verrisse. Den schönsten schrieb die Bloggerin Henrike Heiland (ext. Quell-Link)., der an dieser Stelle vollständig zitiert werden soll: "Es gibt Bücher, die bestehen nur aus Versatzstücken bewährter Thrillerkomponenten, sie triefen vor Blut und locken den Voyeur mit vermeintlich verruchtem Sex, und dann bewerfen sie den geneigten Leser auch noch gleich auf der ersten Seite mit, haha, Kunstwissen, um zu zeigen, schau, hier kannst du was lernen, hier wird es intellektuell, sozusagen mit Mehrwert – wenn das mal nicht die Zutaten sind, aus denen Bestseller gemacht werden, oh ja, aber in Wirklichkeit ist es ein Flickenteppich, ein lieblos zusammengeschustertes Gesellenstück, kein Meisterwerk, eine Beleidigung der Intelligenz des passionierten Krimilesers. Herr Patterson, Frau Marklund: Thanks, but no thanks."
Liza Marklund sollte schnellstens zu dem zurückkehren, was sie wirklich gut kann, gescheite Krimis schreiben und mit ihrem eigens dafür gegründeten Piratförlaget die Verhältnisse im Buchhandel zum Tanzen bringen, und zwar in Schweden.
Vielen Dank an Dr. Kerstin Herbst aus Berlin
© Februar 2011 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
Buchtipp |
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"Kalter Süden" von Liza Marklund
Reifer und ausgeglichener, doch stärker denn je
Die neue starke Liza Marklund
Seit zwei Jahren wohnt Liza Marklund mit ihrer Familie in Marbella. Nun lässt sie auch ihre Heldin hier im Fall des ermordeten Eishockey-Stars Sebastian Söderström und seiner Familie ermitteln. Was ein abgeschmackter Krimi mit mondänem Spanien-Flair hätte werden können, entwickelt sich zum Glück zur besten Liza Marklund seit „Olympisches Feuer“ – Und die Starautorin zeigt sich, ganz wie ihre Protagonistin, von einer ganz neuen starken Seite.
„Ich versuche, der Wahrheit so nah wie möglich zu kommen, denn ich finde, manchmal kommt man der Wahrheit mit der Fiktion viel näher als mit Fakten. Schreibt man Artikel, muss man alles mit Fakten beweisen können. Ist man als Schriftsteller tätig, hat man die Möglichkeit, ein wenig dazu zu erfinden und dennoch ganz nah an der Wahrheit zu bleiben. Manchmal holen einen die Wahrheit und die Realität auch ein.“
So äußerte sich Liza Marklund im Herbst 2004 gegenüber dem Literaturportal schwedenkrimi.de. (Link zum Interview) Anfang des Jahres, so schien es, holte die Starautorin eben jene Realität ein, als sie sich plötzlich selbst massiven Vorwürfen ausgesetzt sah, sie habe es mit der Recherche für ihre „Tatsachenromane“ Mia und Asyl nicht so genau genommen und bewusst Fakten zurückgehalten oder verfälscht, um ihr eigenes Anliegen im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen voranzutreiben (schwedenkrimi.de berichtete) – Ihrer literarischen Heldin Annika Bengtzon hatte Liza Marklund bereits 2004 in „Der rote Wolf“ einen Integritätsverlust zugemutet, als sie sie ihren Einfluss als Journalistin aus ganz eigenen, persönlichen Motiven heraus missbrauchen ließ.
Wahrheit und Fiktion
Auch in „Kalter Süden“ vermischen sich Wahrheit und Fiktion insofern als Liza Marklund Annika Bengtzon überwiegend in Marbella recherchieren lässt, denn hier hat die Autorin seit zwei Jahren ihren Wohnsitz, und, wie man weiß, hat Liza Marklund die Angewohnheit, die Orte und Plätze, an die sie ihre Protagonistin schickt, selbst zu besuchen. Also muss Annika in diesem Fall ihrer Autorin folgen. Gleichzeitig werden so – wie bereits in der Rezension zu „Lebenslänglich“ gemutmaßt – offene Fragen des vorangegangenen Krimis beantwortet („Kalter Süden” schließt thematisch fast nahtlos an „Lebenslänglich” an), und alle wichtige Charaktere des Vorgängerromans tauchen wieder auf.
Mord im mondänen Marbella
Konkret verschlägt es Annika nach Marbella, um den Tod des Eishockey-Stars Sebastian Söderström zu untersuchen. Er und seine Familie sind einem Giftgasanschlag zum Opfer gefallen. Annika Bengtzon recherchiert in der Welt der Superreichen, die zurückgezogen hinter hohen Mauern und umgeben von den teuersten Alarmeinrichtungen ein Leben in scheinbarer Sicherheit führen. In diesem Kosmos der glatten Oberflächen und gekühlten Räume ist Schweigen Gold, und Geheimnisse werden über Generationen bewahrt. Die spanische Polizei gibt den Fall schon bald resigniert auf. Doch Annika Bengtzon lässt sich nicht so leicht abweisen. Verbissen wie eh und je lässt sie nicht locker, ehe das Verbrechen aufgeklärt ist. Doch daneben entdeckt man ganz neue Seiten an Annika Bengtzon – und Liza Marklund.
Die beste Liza Marklund seit „Olympisches Feuer“
Beide, die Autorin und ihre Protagonistin, scheinen unter südlicher Sonne gereift zu sein, rein menschlich gesehen. Annika selbst wirkt wesentlich weicher, menschlicher und zugänglicher als jemals zuvor. Auch die übrigen Charaktere, neue wie alte, sind facettenreicher geschildert, und nicht zuletzt ist auch Liza Marklunds Schreibstil reifer geworden. Sie bringt Ansichten, Meinungen und Tatsachen wie eh und je auf den Punkt, sie ist nach wie vor streitbar, aber nicht mehr so polemisch wie zu Beginn ihrer Karriere. Ihre Sprache lässt nichts an Deutlichkeit vermissen, aber sie erscheint nicht mehr ganz so kompromisslos und hart, ist vielmehr ausgeglichener und ruhiger. Es scheint, als sei Marbella sowohl für Autorin als auch für ihr literarisches Geschöpf eine regelrechte Frischzellenkur gewesen, denn „Kalter Süden“ entpuppt sich als Liza Marklunds bester Annika-Bengtzon-Krimi seit „Olympisches Feuer“. Hier gibt es schlicht nichts zu mäkeln. Nicht nur Annikas Entwicklung erscheint positiv und glaubwürdig und stellt so ihre zuletzt arg angekratzte Integrität wieder her. Auch die übrigen Figuren sind psychologisch schlüssig geschildert und von interessantem Charakter, insbesondere die Dolmetscherin Carita Halling Gonzalez, aber auch scheinbare Randfiguren wie das Trollmädchen, die Prinzessin und der Engel wecken des Lesers Neugier. Die Intrige ist ebenfalls raffiniert angelegt, gewinnt zunehmend an Nervenkitzel und mündet schließlich in einem bewundernden „Wow“! Und sie scheint solide und hieb- und stichfest recherchiert und in der Wirklichkeit verankert – So kennt man Liza Marklund, so liebt man Liza Marklund! Damit hat auch die Autorin, wie ihre Heldin, ihr ramponiertes Image wieder gehörig aufpoliert und allen Kritikern gezeigt, dass mit ihr noch lange zu rechnen ist. Zu Recht!
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© September 2009 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Lebenslänglich" von Liza Marklund
Kraftvoll und konzentriert
Annikas Kampf, ihre Unschuld zu beweisen
„Lebenslänglich“ heißt Liza Marklunds neuer Annika Bengtzon-Krimi und löst all das ein, was „Nobels Testament“ vermissen ließ: eine spannende, stringent erzählte Story, kombiniert mit kritischer und auf den Punkt gebrachter Gesellschaftskritik sowie ein knallharter, aber konzentrierter und kraftvoller Stil.
„Lebenslänglich“ beginnt exakt in der Nacht, in der Annikas Haus niederbrennt und „Nobels Testament“ endet. Schon der Titel ist mehrdeutig und weist auf die parallel zum reinen Krimiplot laufende Diskussion hin, die Liza Marklund hier führt. Denn nicht nur Julia Lindholm, die angeklagt und (vor-)verurteilt wird, ihren Mann, den allseits angesehenen Elite-Polizisten David Lindholm, erschossen sowie den gemeinsamen vierjährigen Sohn ermordet zu haben (wie, weiß niemand: die Leiche bleibt unauffindbar), droht eine lebenslängliche Haftstrafe. Auch Annika muss fürchten, für den Brand ihres Hauses auf Lebenszeit hinter Gitter zu müssen, denn sie wird verdächtigt, ihn selbst gelegt zu haben. Aus Rache. Weil ihr Mann Thomas sie wegen seiner Geliebten verlassen hat.
Was währt heute noch ein Leben lang?
Thomas seinerseits beschäftigt sich beruflich damit, wie viel die Abschaffung der lebenslänglichen Haftstrafe den Staat kosten würde und räsoniert mit seinem Chef Per Cramne darüber, was heute noch ein Leben lang hält. Die Ehe? Nein, dann hätte Cramne bereits drei Leben gelebt … Die Arbeit? Erst recht nicht. Heute arbeitet niemand mehr „von der Wiege bis zur Bahre“ bei ein und demselben Arbeitgeber. Im Gegenteil. Heutzutage wechseln die Leute nicht nur ständig ihren Arbeitsplatz, sondern auch gleich ihren Beruf. Kinder aber, so wirft Thomas ein, sind eine Verpflichtung auf Lebenszeit. Aus einer Elternschaft kann man sich nicht davonstehlen, wie aus einer Freundschaft. Gleichzeitig muss Annika den Leerraum und die leere Zeit, die die Kinder hinterlassen, wenn sie bei Thomas sind, lernen, zu füllen. So wird das Thema „lebenslänglich“ auf vielfältige Weise diskutiert, und die parallele Schilderung von Annikas und Julias Kampf, ihre Unschuld zu beweisen, eröffnet ein weiteres thematisches Spektrum: das der Gewalt gegen Frauen (es zeigt sich, nicht überraschend, dass David Lindholm nicht so ganz der Vorzeigepolizist mit weißer Weste war, wie alle Welt, vor allem seine Kollegen – mit Betonung auf der männlichen Form –, glauben will) und ihr Kampf, sich in diesem Leben, dessen Regeln nach wie vor vor allem die Männer definieren, zurecht zu finden und ihren Platz zu behaupten – und hier ist sie endlich wieder, die starke, kämpferische und klar Position beziehende Liza Marklund!
Konzentriert und kraftvoll: Annikas Kampf und Lizas Stil
Denn, anders als in „Nobels Testament“, wirkt „Lebenslänglich“ nicht an Themen überladen, sondern fesselt von der ersten bis zur letzten Zeile, geht Liza Marklund doch gleich zur Sache. Weder flüchtet sie sich in ausschweifende Beschreibungen der Fahndungsarbeit noch hält sie sich mit langen, reflektierenden Passagen auf, sondern erfreut ihre Fans, wie früher, mit einer klaren, am Journalismus geschulten Sprache und einer konsequent vorangetriebenen Erzählweise. Am Ende überrascht sie zudem mit einem unerwarteten Schluss – Auflösung wäre zu viel gesagt. Es bleiben offene Fragen, die aber, das lassen Vorankündigungen zum nächsten, im September in Schweden erscheinenden Annika Bengtzon-Roman „En plats i solen“, ahnen, weitergeführt und vielleicht beantwortet werden. Doch selbst das für einen Krimi vielleicht „unbefriedigende“ Ende tut „Lebenslänglich“ keinen Abbruch, denn die Geschichte ist konzentriert und kraftvoll erzählt, schnörkellos und mit jeder Menge Power. Kurz: Liza Marklund at her best!
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© August 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Nobels
Testament" von Liza Marklund
Von allem zu viel und von einem zu wenig: dem Krimi
Liza Marklunds sechster Annika Bengtzon Roman ist als Krimi erstaunlich schwach und als gesellschaftliches Spiegelbild von zu vielen Themen überfrachtet. Wo ist die spitze Feder Liza Marklunds geblieben?
Sechs Wochen, nachdem Annika Bengtzon in einem Transformatorhäuschen in Norrland beinahe ums Leben gekommen wäre, tanzt sie mit Bosse, dem Kriminalredakteur des Konkurrenzblattes, eng umschlungen am Abend des 10. Dezembers auf der Nobelpreisverleihung. Auf einmal fallen Schüsse, und Annika ist mittendrin – nicht nur im Schusswechsel, sondern auch in ihrem bereits sechsten Kriminalfall. Doch bewirkt die Tatsache, dass sie eine 1-A-Augenzeugin ist leider nur, dass sie in ihrem Job kaltgestellt und – da mit einem Verbot belegt – damit aus der Redaktion freigestellt wird. Abserviert. Und das nicht nur beruflich. Auch im Privatleben kriselt es gewaltig. Thomas flüchtet sich mehr und mehr in seinen Job, Annika und er driften immer mehr auseinander, und in der neuen Nachbarschaft (vom Finderlohn des in „Der rote Wolf“ gefundenen Geldes wurde ein Haus gekauft) kann sie auch nicht recht Fuß fassen. Nur durch Zufall und aus Langeweile geht sie auf das Angebot ihrer Nachbarin Ebba ein, sich ein wenig in der Forscherwelt umzusehen und darüber zu berichten. Hier findet sich die Verbindung zum Mord am Nobelpreisabend: Der Nobelpreisträger in Medizin wurde angeschossen, die Leiterin der Nobelgesellschaft tödlich getroffen.
Zu viele Themen hemmen den Erzählfluss – „Nobels Testament“ kommt nicht in Schwung
So nähert sich Annika, obgleich vom Job befreit, Stück für Stück der Wahrheit, die sich hinter dem Mord an Caroline von Behring verbirgt. Doch wirkt schon der Auftakt – ausgerechnet Annika ist auf dem Nobelpreisfest vertreten – irritierend konstruiert (das ist man von Liza Marklund nicht gewöhnt), so wird die ganze Geschichte im Laufe des Erzählens leider nicht besser. Als Krimi ist „Nobels Testament“ unglaublich zäh und trotz einer katzengleichen Profikillerin und einem wahrlich explosiven Ende wenig spannend. Auch als gesellschaftskritisches Statement – frisch, auf den Punkt, spitz und treffend, wie es sonst Liza Marklunds Kennzeichen ist – funktioniert der Roman nicht, weil Liza Marklund sich schlicht mit zu vielen Themen beschäftigt: mit dem politischen Machtgerangel hinter der Nobelpreisvergabe, mit Biotechnik und Tierversuchen, mit Frauen im Arbeitsleben und in der Forschung im Besonderen, mit Ethik und Moral im Arbeitsleben und in der Forschung im Besonderen, mit Alfred Nobel selbst … Viel zu viel, um eine stringent und packend erzählte Story zu präsentieren. Dass Liza Marklund mit mehreren Themen hantieren und sie in einen spannenden und bündigen Plot zusammenfassen kann, hat sie in früheren Romanen bewiesen. Doch dieses Mal gelingt es ihr leider nicht. Der Krimiplot erreicht bei weitem nicht das Niveau der vorangegangenen Krimis, und die politisch-gesellschaftlichen Botschaften, sonst von Marklund so klar und deutlich mit Emphase vorgetragen, verlieren sich in einem Knäuel aus zu vielen Fäden, die nicht richtig ineinander greifen wollen. Am Ende bleibt man etwas verwirrt zurück und fragt sich, was da nur mit Liza Marklund und ihrer Annika passiert ist und hofft darauf, dass beim nächsten Mal alles wieder so sein wird, wie zuvor.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© April 2007 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Nobels
Testament" von Liza Marklund
Mord im Nobelpreiskomitee
Liza Marklunds neuester Roman um die Reporterin Annika Bengtzon spielt
dieses Mal im akademischen Milieu. Auf der Feier nach der Nobelpreisverleihung,
von der Annika berichten sollte, geschieht ein Mord an einem Mitglied
des Nobelpreiskomitees. Annika wird wichtige Zeugin des Mordes, hat sie
ihn doch aus nächster Nähe mitbekommen und kann sogar eine Täterinnenbeschreibung
liefern. Jedoch wird sie von der Polizei mit Rede- und Schreibverbot belegt,
was ihr eine halbjährige (Zwangs-) Pause beim Abendblatt verschafft.
Zurückgeworfen auf ihr Privatleben wird Annika immer unzufriedener
und kann den Mord nicht vergessen. Sie beginnt Nachforschungen anzustellen
und findet Zugang zu Kollegen des Mordopfers, allesamt Naturwissenschaftler.
Parallel zu diesem Handlungsstrang erfährt der Leser aus der Sicht
der Mörderin, auch the kitten genannt, wie sie ihren mörderischen
Plan durchführte. Es zeigt sich eine Frau, die kaltblütig und
rational kalkulierend vorgeht. Erbost, dass mit Hilfe Annikas ihre Identität
herausgefunden wurde, sinnt sie auf Rache, die sie am Ende des Romans
auch (beinahe erfolgreich) ausführt.
Weiter gibt es, für den Leser anfangs kryptisch erscheinende E-mails,
die Liza Marklund einstreut, und die letztlich die Lösung des Falles
beinhalten. Möglicherweise auch durch diese Einschübe bedingt,
fehlt es dem Roman bisweilen an einem stringenten Spannungsaufbau. Wie
immer erhält man zudem einen tiefen Einblick in Annikas Privatleben,
in dem einiges im Argen liegt. Während sich ihr Mann im Ministerium
mit Abhörgesetzen profiliert, ist Annika zum Stillsitzen verdonnert,
was ihrer Persönlichkeit diametral entgegensteht. So fühlt sie
sich oft alleine und von ihrem Mann mit den Kindern und ihren Problemen
im Stich gelassen. Am Ende scheint sogar ein endgültiges Zerwürfnis
möglich.
Durch ihre Hartnäckigkeit, aber auch mit Hilfe des Zufalls, gelingt
es Annika schließlich die Wahrheit herauszufinden. Die Erklärung
der Tat ist zu finden in einer Kombination aus wissenschaftlichem (falschem)
Ehrgeiz, Stolz und Erpressung. Die Wissenschaftler kommen dabei nicht
gut weg, werden sie doch in ihrer ganzen Eitelkeit und Falschheit bloßgestellt.
Eine Verleihung des Nobelpreises an derartige Wissenschaftler wäre
sicher nicht im Sinne Alfred Nobels gewesen.
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© März 2007 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Der rote
Wolf" von Liza Marklund
Liza Marklund greift Annikas Integrität an und entlarvt Maoisten
samt Terroristen
Ein Mann steigt vor einem Hotel in Luleå aus
dem Bus. Nach dreißig Jahren ist er nach Schweden zurückgekehrt,
schwer krank. Er ist nach Hause gekommen, um zu sterben. Aber vorher
hat er noch einiges zu erledigen: alte Rechnungen begleichen, Beziehungen
klären - ein für alle Mal.
Zur gleichen Zeit ist Annika Bengtzon vom Stockholmer Abendblatt in
der nordschwedischen Stadt. Die erfolgreiche Journalistin will sich
mit einem Lokalreporter treffen, der an derselben Geschichte recherchiert
wie sie: Es geht um einen terroristischen Anschlag, der Ende der sechziger
Jahre auf die in Luleå stationierte schwedische Luftwaffe verübt
und nie richtig aufgeklärt wurde. Doch bevor Annika ihren Kollegen
treffen kann, wird er tot aufgefunden. Was anfangs wie ein Unfall aussieht,
entpuppt sich als brutaler Mord. Als kurze Zeit später auch der
einzige Zeuge, ein dreizehnjähriger Junge, umgebracht wird, weiß
Annika, dass ein kaltblütiger Profi am Werk sein muss. Aber was
steckt dahinter? Schließlich erfährt Annika, dass der gesuchte
Terrorist Ragnvald in seine Heimat Luleå zurückgekehrt ist
- nach dreißig Jahren im Exil. Es folgen zwei weitere Morde. Als
einzige Spur lässt der Mörder jeweils ein Mao-Zitat am Tatort
zurück. Annika gerät in eine Spirale aus Gewalt und Terrorismus,
die bis in höchste Regierungskreise hineinführt.
"Der rote Wolf" knüpft an "Olympisches Feuer"
an und Annika ist von den Ereignissen dort noch schwer gekennzeichnet.
In ihrem Kopf singen Engel und Panikanfälle stellen sich ein, sobald
Annika in eine Situation gerät, die an das traumatische Erlebnis
in "Olympisches Feuer" erinnert. Außerdem ist sie ihren
Job als Chefin der Polizeiredaktion los und arbeitet nun als freie Reporterin
beim 'Abendblatt'. In diesem psychisch labilen Zustand kommt Annika
zudem dahinter, dass ihr Mann Thomas sie mit einer anderen Frau betrügt.
Annika missbraucht ihre Macht als Journalistin bewusst und in voller
Absicht, um ihre Widersacherin auszuschalten.
Persönliche
Integrität, Moral und Politik
Nie zuvor wurde Annikas Privatleben damit so viel Raum
gegeben. Nie zuvor wurde aber auch die persönliche Integrität
Annikas so sehr in Frage gestellt wie in diesem Roman. Liza Marklund
mutet ihrer Protagonistin und allen von Empathie geleiteten Lesern damit
viel zu. Annika fordert das politische und Medien-Establishment heraus.
Das erfordert Mut und findet unsere Anerkennung. Doch am Ende geht Annika
nur scheinbar als Siegerin aus der Affäre heraus, denn sie verliert
zwar ihren Job nicht, obwohl die Sache auffliegt. Doch kann sie ihn
auch nur behalten, weil sie ihren Chefredakteur ebenso in der Hand hat
wie er sie.
Denn auch Chefredakteur Schyman und die Eigentümerfamilie der Zeitung
machen sich des Machtmissbrauchs schuldig. Wissen, das Annika während
ihrer Recherche zum Mord an dem Journalisten und den anderen Ermordeten
zusammenträgt, wird systematisch benutzt, um die Kulturministerin
Karina Björnlund* unter Druck zu
setzen, sodass eine für die Zeitung und das Medienimperium der
Eigentümerfamilie negative Gesetzesvorlage in letzter Sekunde zu
Ungunsten des Konkurrenten verändert wird. Wie immer in Liza Marklunds
Krimis widerfährt Annika auch im Privaten das, was zugleich auf
höherer, gesellschaftspolitischer Ebene angeordnet ist. Annikas
Freundin Anne Snapphane ist nämlich von der - geänderten -
Gesetzesvorlage direkt betroffen und verliert ihren Arbeitsplatz.
Terrorismus
und Presse-Ethik
So geht "Der rote Wolf" also nicht nur der
Frage nach, wie nahe der harte Kern der schwedischen, revolutionären
Linken Ende der 60er war, dem deutschen, spanischen und italienischem
Vorbild zu folgen und somit den Weg in den Terrorismus zu gehen, sondern
behandelt auf einer anderen Ebene Fragen der Presse-Ethik. Die Dialoge
zu diesen Passagen sind von Liza Marklund mit spitzer Journalisten-Feder
geschrieben und wie dazu geschaffen, als Leitartikel oder Kolumne veröffentlicht
zu werden. Hier scheint er also wieder ganz unverhohlen durch, Liza
Marklunds missionarischer Eifer. Das verzeiht man ihr jedoch gerne,
denn erstens behandelt Liza Marklund mit dem Machtmissbrauch durch die
Medien ein ungeheuer wichtiges und aktuelles Thema, zweitens ist sie
eine der wenigen medialen Frauengestalten, die deutlich hör- und
sichtbar Position zu aktuellen Themen beziehen und drittens schreibt
sie einfach verdammt spannende Krimis! Wie sie das eine mit dem anderen
verknüpft, ist vielleicht nicht als sonderlich subtil und feinmaschig
zu bezeichnen, doch merkt man jeder Zeile an, dass Liza Marklund sie
mit Leidenschaft und Feuereifer für ihre Protagonistin und für
ihre Sache schreibt. Dass sie das gar nicht erst hinter 'hohen' literarischen
Ambitionen zu verschleiern versucht, ist Liza Marklund eigentlich umso
höher anzurechnen. Doch muss auch gesagt werden, dass Liza Marklund
die Passagen, in denen Annikas labile Psyche beschrieben wird, sehr
gut und eindringlich gelungen sind.
Katharsis
- Wenn die Engel schweigen
Das Ende, in dem es für Annika nochmals knüppeldick
kommt, ist denn auch von kartharsischer Wirkung. Die Engel schweigen
und Annika geht zwar moralisch angeschlagen, doch psychisch gestärkt
aus der Geschichte hervor. Auch der Leser profitiert dabei von einer
Annika, die von ihrer Unnahbarkeit und Eindimensionalität verloren
hat, und von einer spannenden Krimigeschichte!
* Dahinter verbirgt sich übrigens
- das ist in Schweden schon lange kein Geheimnis mehr - die tatsächliche
Kulturministerin Marita Ulvskog.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© September 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Mia -
Ein Leben im Versteck" von Liza Marklund
Bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe
kommt Mia mit vielen Ausländern in Kontakt. Unter anderem auch
mit einem gut aussehenden Libanesen, der sie eifrig umwirbt. Mit seinem
unwiderstehlichem Charme erobert der moslemische Mann die junge Schwedin
im Sturm. Doch in die Beziehung schleichen sich schon bald die ersten
Probleme ein. Fügt sich Mia anfangs noch in die ihr auferlegten
Einschränkungen - Unternehmungen mit Freunden sind passé,
ebenso Strandbesuche im Badeanzug -, so wird die Situation nach der
Geburt der gemeinsamen Tochter Emma immer unerträglicher. Misshandlungen
und Schläge sind bald an der Tagesordnung. Mia versucht sich aus
der Beziehung zu lösen, muss jedoch feststellen, dass das nicht
ohne weiteres möglich ist. Als sie einen neuen Mann kennen lernt
und heiratet, verschärft sich die Lage noch. Die Behörden
sind machtlos, und die Familie wird gezwungen, sich mit einem Leben
auf der Flucht abzufinden.
"Mia" erschien 1995 und beruht auf einer wahren Begebenheit.
(AKTUELL 2009, weitere Informationen dazu finden Sie hier.)
2000 gab es eine Neuauflage, und "Mia" hat sich allein in
Schweden 700.000 Mal verkauft. Auch in der zweiten Auflage hielt sich
"Mia" wochenlang in den Bestseller-Listen.
Das ist sicher weniger Liza Marklunds schriftstellerischem Talent zu
verdanken, als vielmehr ihrem grandiosen journalistischen Können
und ihrem leidenschaftlichen Anliegen, Frauen, gerade misshandelten
und benachteiligten Frauen, eine Stimme in der Öffentlichkeit zu
verleihen. Das kennen wir auch schon aus Liza Marklunds Annika Bengtzon-Romanen,
doch ist "Mia" umso erschütternder und eindringlicher,
als es sich um tatsächliche Begebenheiten handelt. Dabei setzt
Liza Marklund zu Recht ihr großes, journalistisches Können
ein, um eine packende, empathische und Mut machende Geschichte nachzuerzählen.
"Mia" ist die furchtbare Geschichte einer jahrelangen Flucht,
in deren Verlauf eine ganze Familie beinahe zerbricht. Liza Marlund
zeigt vor allem auch, wie hilf- und machtlos die staatlichen Behörden
diesem Terror gegenüberstehen. Polizei und Staatsanwalt haben große
Schwierigkeiten, dem Ex-Verlobten Mias seine Verbrechen gegen Mia, ihrem
neuen Mann Anders sowie den Kindern Emma und Robin nachzuweisen. Mias
Ex-Verlobter und seine Freunde verschaffen sich ständig gegenseitig
Alibis, schüchtern Zeugen ein, drohen, den Eltern Mias etwas anzutun.
Das Haus von Mia und Anders wird ihr Gefängnis. Sie dürfen
es nur noch in Begleitung einer Sozialarbeiterin verlassen. Schließlich
müssen Mia, Anders und ihre Kinder Emma (die gemeinsame Tochter
Mias und ihres Ex-Verlobten) und Robin immer wieder für längere
Zeit auf Anweisung der Behörden zu ihrem Schutz die Stadt verlassen.
Unter der Isolation leidet vor allem die kleine Emma. Sie wird immer
stiller und in sich gekehrter. Nach einem Überfall, bei dem Mias
Ex-Verlobter dem Kind ein Messer an die Kehle drückt, wird die
Situation unhaltbar. Emma hört gänzlich auf zu reden. Die
Behörden bestimmen, dass Mias Familie in den Untergrund gehen muss.
Niemand darf ihren Aufenthaltsort erfahren, nicht einmal Mias Eltern.
Im ersten Jahr wird die Familie an nicht weniger als zwölf Orten
versteckt. Doch Mias Ex-Verlobter und seine Freunde geben nicht auf,
verfolgen Mia und ihre Familie weiter und es finden sich überall
Verräter, die für ein paar Kronen das Leben Mias und ihrer
Familie preisgeben. Die Flucht geht weiter, Emma fällt ins Koma
und entkommt dem Tod nur um Haaresbreite.
Im Frühjahr 1991, Emma wird fünf Jahre alt, war ihr körperlicher
und geistiger Zustand weiterhin so instabil, dass eine psychiatrische
Untersuchung nicht durchführbar war. Um Emmas mentalen Gesundheitszustand
untersuchen zu können, war es notwendig, dass die Familie während
einer längeren Periode ein "ganz normales" Leben in totaler
Freiheit leben konnte. Die Behörden hielten dies nur in einer anderen
Hemisphäre für möglich. Am 19. Mai 1991 wurde die Familie
Eriksson daher auf eine 7-monatige Reise ins Ausland geschickt. Mias
ehemaliger Verlobter, Emmas Vater, wohnt dagegen immer noch in Mias
Heimatstadt. Zwischen 1986 und 1994 wurde er drei weitere Male wegen
fünfzehn verschiedener Delikte verurteilt.1
Liza Marklund schafft es überzeugend, glaubwürdig und für
die misshandelte, gedemütigte Frau und ihre Familie Partei ergreifend,
"das Bild (...) eines Anführers einer Gruppe junger kriegsgeschädigter
Männer, die kein Schwedisch sprechen, nicht arbeiten und keinen
Platz in der schwedischen Gesellschaft gefunden haben"2
zu zeichnen, ohne rassistisch oder diffamierend zu werden.
Dafür gebührt ihr höchstes Lob und es zeugt von Liza
Marklunds hoher journalistischer Klasse.
Weil "Mia" eine wahre Geschichte ist, die Albträume herbeiführt
und dennoch so notwendig zu erzählen ist, sei dieser Tatsachenbericht
Liza Marklunds allen Annika Bengtzon-Fans und Anti-Fans ans Herz gelegt,
zu lesen!
1 Liza Marklund, Mia. Ein Leben im Versteck.
Hoffmann und Campe: Hamburg, 2002, S.412
2 ebd.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© August 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"ASYL" von Liza Marklund
Liza Marklund und Mia Eriksson schreiben (Rechts-)Geschichte - Journalismus von seiner besten Seite
„Asyl“ macht dort weiter, wo „Mia“ aufhörte und erstreckt sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. In „Asyl“ schildert Liza Markund Mia Erikssons Flucht vor ihrem ehemaligen Verlobten, die sie von Schweden über Lateinamerika schließlich in die USA führt. Hier muss sie amerikanische Rechtsgeschichte schreiben, will sie in den USA Asyl erhalten. Niemals zuvor wurde einer Frau aus West-Europa aufgrund von Misshandlungen und lebensbedrohenden Verfolgungen in den USA Asyl gewährt.
Gleichzeitig ist „Asyl“ eine Reise durch die schwedische Bürokratie, die zwar in einem höchst richterlichen Urteil 1994 feststellt, dass die Familie nicht länger in Schweden leben kann und emigrieren muss, um zu überleben, gleichzeitig aber jede Hilfe verweigert. Also muss die Familie selbst sehen, wie sie nach Lateinamerika auswandern kann. Dabei liegt die Hauptlast auf Mia, die sich um alles kümmert, die organisiert, dolmetscht und übersetzt und schließlich in Santiago de Chile eine kleine Imbissbude an der Schule ihrer Kinder eröffnet. Auffällig ist, dass Anders, ihr Mann, zusehends passiver wird, sich schließlich - da ist man schon in den USA - ganz abkapselt und sich im Anschluss an die Asyl-Verhandlung von Mia, Emma und Robin trennt. Doch ist es nicht primär der Zerfall einer Familie, die an einer 15-jährigen Flucht zerbricht, den Liza Marklund beschreibt. Liza Markund hält vielmehr der schwedischen, politisch korrekten, Gesellschaft mit starkem, nahezu unverbrüchlichem, Glauben an die staatlichen Einrichtungen und Institutionen einen Spiegel vor und macht deutlich, dass auch Gerichte und andere staatliche Institutionen machtlos sein können, wenn sie derart auf die Probe gestellt werden.
Die Super-Mutti als dominierender Wert
Mia mutiert derweil immer mehr zur strahlenden Heldin, zur Super-Mama und Versorgerin der Familie, die niemals die Hoffnung und den Glauben an Gott und die Zukunft aufgibt. Wenn das wirklich so war, ist es sicherlich bewundernswert, wie sich jemand immer und immer wieder nach Schicksalsschlägen, die auch in Santiago de Chile auf die Familie warten, erholt und sich niemals aufgibt. Doch kommt es manchmal etwas aufdringlich daher und erinnert so fatal an den die Mutterschaft überhöhenden Feminismus der späten 70er-Jahre, was einen faden Beigeschmack hinterlässt. Dabei ist Mia sonst eine ganz und gar durchschnittliche Schwedin, die Mittsommer-Kränze bindet, Orrefors-Vasen sammelt und Abende gerne vor dem Fernseher verbringt. Diese Alltäglich- und Gewöhnlichkeit macht aber auch die ungeheure Gefahr und den Druck, dem diese Familie auf der Flucht ständig ausgesetzt ist, erst begreifbar.
Journalistisches Meisterwerk
Schließlich kommt Liza Marklund als Journalistin Hanna selbst mit ins Bild. Hier wird geschildert, wie sich die beiden zum ersten Mal begegneten. Allen Annika-Bengtzon Lesern ist diese Episode bereits aus „Paradies“ bekannt und somit bietet „Asyl“ auch noch ein bisschen Agententhriller-Spannung mit konspirativen Meetings am Fotokopierer. Das liest sich ganz und gar abenteuerlicher, ja, fast unglaublich, doch besteht an Liza Marklunds journalistischer Integrität kein Zweifel. „Asyl“ ist vor allem auch ein journalistisch gut recherchiertes Werk, das daher keine psychologische Versenkung in die Charaktere liefert wie man es von einem Roman erwarten würde. Im Gegenteil. „Asyl“ ist in der für Liza Marklund so typischen „Abendpresse-Prosa“, wie es in Schweden genannt wird, geschrieben. Die Sprache ist absolut funktional und leicht lesbar. „Asyl“ will dokumentieren und die Misshandlung von Frauen ins Bewusstsein bringen, und kein psychologisierender, analysierender Roman sein. Das beweisen nicht zuletzt die letzten Passagen, in denen Mia nach dem traumatischen 11. September 2001 vor einem Gericht Rede und Antwort stehen muss, um Asyl zu erhalten. So referiert sie, so referiert Liza Marklund, dass 1997 9.046 Misshandlungen gegen Frauen in Schweden angezeigt wurden, dass jeden zehnten Tag in Schweden eine Frau ermordet wird, für gewöhnlich von einem ihr nahestehendem Mann. Pro Jahr wird jede vierte schwedische Frau bedroht oder geschlagen. Nahezu die Hälfte aller schwedischen Frauen werden im Laufe ihres Lebens das ein oder andere Mal von einer ihr nahestehenden Person misshandelt.1
Das macht deutlich, dass Misshandlungen an Frauen nicht vor religiösen oder kulturellen Grenzen halt macht.
Wie schon der Vorgänger „Mia“ ist auch „Asyl“ damit vor allem ein hervorragendes journalistisches Werk mehr als ein Roman. Das macht „Asyl“ aber nicht weniger lesenswert. Im Gegenteil. „Asyl“ geht uns alle an.
1 Liza Marklund, Asyl. Den sanna fortsättningen på Gömda. Pirat, 2004: S.399
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© September 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Prime
Time " von Liza Marklund
Michelle Carlsson, berühmte Fernsehmoderatorin,
wird während der Feierlichkeiten zum Ende der Dreharbeiten des
"Sommerschloss" ermordet. Verdächtig ist die ganze Crew
der Produktion, darunter auch Annika Bengtzons Freundin Anne Snapphane.
Bald schon stellt sich heraus, dass jeder einzelne der 12 ein Motiv
hätte: aus Neid, Missgunst, Eifersucht oder Hass auf Michelle Carlsson.
Außerdem kommt Annika dahinter, dass es während des Abschlussfestes
hoch herging, und Anders Schyman gerät an brisantes Fotomaterial.
Dieses Mal ist Liza Marklund hart ins Gericht gegangen mit ihren (Ex-)Kollegen
aus der Medienbranche und entlarvt gnadenlos, wie es hinter den Kulissen
zugeht und wie weit Menschen bereit sind zu gehen, um Macht und Öffentlichkeit
zu erhalten. Selbst der sonst so tadellose Anders Schyman greift nun
zu härteren Bandagen, um den verhassten Chefredakteur Torstensson
los zu werden. Annika hilft ihm gar dabei, jedoch nicht ohne ein Gefühl
des Unbehagens.
Daneben hat Annika - natürlich will man sagen, wie es sich für
einen schwedischen Krimihelden gehört - noch ein privates Problem
mit ihrem Mann Thomas, aber insgesamt ist dieser Erzählstrang nicht
so dominant und stört auch nicht weiter den Erzählfluss.
In Prime Time schildert Liza Marklund ein Milieu, das sie selbst aus
dem Effeff kennt und das gelingt ihr auch dementsprechend gut. Es macht
Spaß, hinter die hübschen Kulissen zu blicken und sich außerdem
noch spannend unterhalten zu lassen, wenngleich die Mordverdächtigen
aus den Reihen der Fernsehproduktion durchaus stereotype Züge haben,
aber hier unterstelle ich Liza Marklund Absicht. Das Mittel der Zuspitzung
sei erlaubt, um die Mechanismen in all ihrer Scheußlichkeit sichtbar
zu machen.
Da hier nicht wie im Vorgänger PARADIES mehrere Handlungsstränge
miteinander verknüpft werden, wirkt Prime Time wesentlich stringenter
und wie aus einem Guss. So bleibt Prime Time seinen Lesern nichts in
Sachen Spannung und guter Unterhaltung schuldig. Einzig die Figur der
Michelle Carlsson bleibt etwas unklar. Als Leser lernt man sie - wie
Annika übrigens auch - nur durch die Beschreibungen ihrer lieben'
Kollegen kennen, so dass sich kein rechtes Bild von ihr formen will.
Wie Michelle Carlsson nun wirklich' war, wie sie zu dem wurde,
was sie war und was sie trieb, bleibt so notgedrungen etwas auf der
Strecke, schmälert das Lesevergnügen aber nur ganz wenig.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© Oktober 2003 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Paradies"
von Liza Marklund
Der Weg ins Paradies - Ein Mal Hölle und zurück
Ein Doppelmord im Stockholmer Freihafen sorgt für
Aufruhr in der Redaktion des Abendblatt, wo Annika Bengtzon gerade Nachtschicht
schiebt. Diesen Aufsehen erregenden Fall werden jedoch die Kollegen
übernehmen. Den beruflichen Durchbruch hat die ehrgeizige Journalistin
noch nicht geschafft. Zähneknirschend spielt sie Mädchen für
alles, arbeitet ihren Kollegen zu, recherchiert, korrigiert. Als sie
den Anruf einer Frau erhält, die mit ihrer privaten Stiftung namens
PARADIES an die Öffentlichkeit treten will, ist Annika zunächst
misstrauisch. Angeblich verhilft die im Geheimen arbeitende Organisation
verfolgten Menschen zu einem neuen Leben in Anonymität. An sich
eine gute Sache, aber wie soll das funktionieren? Und wie lässt
sich die Geheimnistuerei der Leiterin mit ihrem Wunsch nach Öffentlichkeit
vereinbaren? Während sich Annikas Kollegen mit dem spektakulären
Hafenmord beschäftigen, beginnt sie mit der Recherche und trifft
auf eine Informantin, die ihr ein ganz anderes Bild von PARADIES zeichnet.
Doch erst als eine Klientin der Stiftung kaltblütig umgebracht
wird, schrillen bei ihr die Alarmglocken. Auf ihrer Suche nach der Wahrheit
gerät die Journalistin in das mörderische Netz skrupelloser
Gewalttäter, aus dem sie sich nur mit knapper Not befreien kann.
Zunächst nur widerwillig nimmt sich Annika Bengtzon des Anrufs
der Stiftung Paradies an, doch schon bald erkennt sie ihre Chance, mit
dieser Story wieder als Reporterin arbeiten zu können.
Wenn Liza Marklund das journalistische Milieu schildert, ist sie am
besten. Man spürt, dass hier eine Kennerin am Werk ist. Die Redaktionsroutine
ebenso wie die Reporter des Abendblatt sind durchaus lebendig geschilderte
Umwelten und Figuren aus Fleisch und Blut. Die knappe und punktgenaue
Sprache tut ihr übriges, das Zeitungsmilieu anschaulich und vital
zu schildern, so dass man als Leser bis zum Schluss buchstäblich
in Atem gehalten wird und einfach immer nur weiter lesen will. Wenn
man dann meint, die Geschichte sei jetzt doch eigentlich schon zu Ende,
legt Liza Marklund auf den letzten knapp 100 Seiten nochmals Feuer nach
und heizt ordentlich ein. Keine Frage, PARADIES macht Spaß zu
lesen und ist spannend geschrieben.
Allerdings hat der Krimi auch seine Schwächen. Es wird z.B. überhaupt
nicht das Motiv Rebecka Björkstigs erläutert oder an irgendeiner
Stelle deutlich, warum sich die Gründerin der Stiftung Paradies
überhaupt an die Zeitung wendet, wo sie doch auf der anderen Seite
so sehr um Geheimhaltung bemüht ist. Man kann nur vermuten, dass
es ihr einfach darum ging, mehr Leute an sich zu binden und damit auch
mehr Geld. Doch bleibt das im Dunkeln und damit letztlich unmotiviert.
Auch Rebecka Björkstigs Drohung mit der jugoslawischen Mafia erscheint
im Nachhinein als eine auf Biegen und Brechen herbeigeführte Verbindung
zu den Morden im Freihafen und der Serbin Aida Begovic, deren verzweifelten
Telefonanruf ebenfalls Annika entgegennimmt und sie zu weiteren Recherchen
veranlasst.
Mit der Figur der Aida Begovic wird schließlich der zweite große
Erzählstrang eingeführt. Auch hier geht es nur nebensächlich
tatsächlich um die jugoslawische Mafia. Vielmehr versucht Liza
Marklund, den Bogen zum jugoslawischen Bürgerkrieg zu spannen.
Das alles ist durchaus spannend erzählt - und darauf kommt's in
einem Krimi ja schließlich an -, aber wer hier auf einen Krimi
mit Polit-Thriller Qualitäten hofft, wird doch enttäuscht.
Dazu ist die Geschichte um Aida und ihre Motive doch zu oberflächlich
gehalten. Man kann sich des Eindrucks von Klischees in diesem Handlungsstrang
nicht erwehren, obwohl ich nicht daran zweifle, dass Liza Marklund handfest
recherchiert hat. Die kursiv gedruckten Passagen, die Aida Stimme verleihen
und um die Themen Schuld, Scham und Gewalt kreisen, deuten mögliche
Motive und Zusammenhänge an, kommen aber im Rahmen des Krimis zu
kurz und kratzen nur an der Oberfläche. Ich denke, hier bleibt
Liza Marklund hinter ihren Möglichkeiten, wenn man in Betracht
zieht, dass sie bereits mit "Mia" ein Werk geschaffen hat,
dass kein Krimi ist, aber in einer Art Tatsachenbericht über eine
misshandelte und vergewaltigte Frau erzählt. Auch eine kleine Grundsatzdiskussion
über Demokratie versus Kommunismus oder Totalismus, über Wahrheit
und Information handelt Liza Marklund alias Annika Bengtzon noch en
passant mit einem serbischen Offizier ab, bevor dieser sich selbst richtet.
Das ist dann vielleicht doch etwas des Guten zuviel. Weniger wäre
mehr gewesen.
"Sex sells" hat sich Liza Marklund womöglich gedacht,
als sie ihrer ansonsten arg gebeulteten Heldin Annika auch einen erotischen
Moment gönnt. Diese zwar nur kurzen und sporadischen Szenen sexueller
Natur wollen sich nicht so ganz in den Erzählfluss integrieren
und zählen sicherlich nicht zu den Höhepunkten erotischer
Literatur.
So bleibt alles in allem der Eindruck einer durchaus sehr spannenden
Lektüre für den Moment. Länger drüber nachdenken
sollte man aber nicht, weil die Geschichte über den Moment hinaus
nicht trägt.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© Oktober 2003 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Olympisches
Feuer" von Liza Marklund
Ein Bombenanschlag zerstört in Stockholm das Olympiagebäude.
In den Trümmern finden die Polizei einen zerfetzten Leichnam. Annika
Bengtzon, Redaktionsleiterin bei der "Abendpresse" recherchiert
die Hintergründe des Attentats, dass sich als sorgfältig geplanter
Mord erweist.
Bewertung:
Dieser Krimi hat mir sehr gut gefallen. Eine Story von Seiten einer
Journalistin die der Wahrheit zu nahe kommt ist mal wieder was Neues.
Der Schreibstil war Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber
zum Schluss konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Vielen Dank an Silke Stücker
© 2002 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Studio 6"
von Liza Marklund
Atemloses Volontoriat
Schnell kann man sich mit der Protagonistin der Geschichte
identifizieren. Man denkt, bangt, leidet, freut sich mit, wenn Annika
Bengtzon ihre Aufgaben und Vorhaben erledigt. Auch ihren Grusel kann man
nachvollziehen - ebenso ihre Unerschrockenheit, ihren Durchsetzungswillen
aber auch ihre Verzweiflung. Atemlos liest man sich durch die Aufklärungsschritte
und Verwobenheit des grausamen Mordes hindurch, grübelt stets mit,
wenn Nebenerkenntnisse auf eine neue Fährte führen und setzt
selbst ein Tathergangs- und Täterprofil zusammen, um es sich durch
den Verlauf des Thrillers bestätigen oder auch widerlegen zu lassen.
Der Schluss ist konsequent und logisch und doch ergreift er einen unerwartet
intensiv. Schließlich entfalten sich die eingestreuten Tagebucheinträge
von der lange anhaltenden Verwirrung in ein ersticktes "Aha"-Gefühl.
Ein unglaublich spannendes Buch, das nach mehr verlangen lässt.
Vielen Dank sagt das Literaturportal schwedenkrimi.de
© 2002 Uli Geißler, Spiel- und Kulturpädagoge aus Fürth |
"Paradies"
von Liza Marklund
Spannender Krimi
Im Hafen werden zwei durch Kopfschuß ermordete junge
Männer aufgefunden. Später stellt sich heraus, dass es sich um Serben
gehandelt hat. Auch wird bekannt, dass ein LKW mit Schmuggelware, Zigaretten
im Wert von 50 Mio. Kronen, gestohlen wurde. Das wird die "Jugo- Mafia"
nicht auf sich sitzen lassen. Die junge Journalistin Annika Bengtzon
arbeitet als "Mädchen für alles" beim Stockholmer "Abendblatt". Als
sie eines Abends ein Telefongespräch von ihrem Vorgesetzten durchgestellt
bekommt, hat Annika den ersten Kontakt mit der Leiterin einer Stiftung,
die dafür sorgt, dass Daten von Frauen und Kindern, welche Morddrohungen
erhalten, gelöscht werden um diese vor vermeintlichen Verfolgern zu
schützen. Die Stiftung, deren Name "Paradies" ist, zeigt sich interessiert,
im "Abendblatt" einen Bericht über ihre Tätigkeit abdrucken zu lassen.
Die Finanzierung der Stiftung wird zum Beispiel durch Gemeinden übernommen.
Die Kosten für die Löschung der Daten eines Gefährdeten belaufen sich
auf 3500 Kronen pro Tag. Bei den Recherchen zur Stiftung stößt Annika
nicht nur bei der Einnahmen - Ausgabenrechnung auf offene Fragen. Ebenso
bei den Nachforschungen zu den gelöschten Personen und was mit ihnen
geschieht tauchen plötzlich Fragen auf. Und was hat es mit diesem LKW-
Diebstahl auf sich, hat da das "Paradies" etwa auch seine Finger im
Spiel?
Fazit:
Liza Marklund schrieb einen durchwegs spannenden Krimi, der sich leicht
lesen läßt und viel Abwechslung liefert.
Vielen Dank an Helmut Schlatzer aus Graz
© 2002 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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